„Jetzt wird es mal Zeit, dass das geil wird“
Band mit Geseker Wurzeln auf Deutschlandtournee
Reportage über Aufbau West von Thomas Rensinghoff nach einem Interview im Dortmunder FZW
Kalt ist es in Dortmund. Vor der Halle sitzen Fans in Rettungsdecken neben Schneebergen – 5 Stunden vor Konzertbeginn. Am Hintereingang gehen Mitglieder der Bands von Aufbau West, Heisskalt und Jennifer Rostock Vorbereitungen für das Konzert nach. Zwischen Bühnenaufbau, Soundcheck und dem Warten auf die wichtigste halbe Stunde des Tages geht es ins Interview mit Sänger und Gitarrist Florian Berres, Bassist Jendrik Leismann und Schlagzeuger Sebastian Gödde. Keyboarder Martin Kuntze reiste noch an.
2012 waren es die Konzerte in der Schweiz, die für Aufsehen sorgten (wir berichteten). Jetzt ist Aufbau West im professionellen Musikzirkus angekommen. Wir sitzen während der Deutschlandtour im Backstagebereich. 3 Bands teilen sich hier den Alltag, leben gemeinsam zwischen Koffern und Musikinstrumenten wie eine große Familie von Berufsmusikern. Jendrik Leismann sieht augenzwinkernd Parallelen zur Stimmung einer Klassenfahrt. Er stellt aber klar heraus, dass das Leben mit dem täglichen 23,5-stündigen Warten auf den Auftritt Arbeit sei. Arbeit, die die anderen Bands auch verrichteten, was sie alle gerade beim Aufbau im Schmuddelwetter noch näher zusammenrücken ließe.
Für die Musiker (23-28 J.) aus Ahlen, Geseke, Münster und Rheda-Wiedenbrück ist Geseke der Anfang von allem: Hier entstand ihr erstes Album „Schüsse in Öfen“, hier begannen sie sich vom Status einer Hobbyband wegzuarbeiten. Auch mit dem Umzug nach Münster bleibt Geseke der kreative und auch emotionale Ausgangspunkt des Projekts.
„Wir wollen hier was bewirken und sind nicht hier, um mit Kumpels im Proberaum Spaß zu haben.“
Aufbau West richtete sich ambitioniert aus und ganz klar – so Leismann – mit dem Ziel, „keine Hobbyband zu sein und das mit allen privaten und beruflichen Konsequenzen“. „Von der ersten Probe an sind wir zur Arbeit gegangen. Wir haben alle jahrelang eine Hobbyband gemacht und jetzt wird es mal Zeit, dass das geil wird“, unterstreicht Berres. Bilanz: Rund 50 größere Auftritte seit 2011 – aktuell vor etwa 1500 und in Berlin sogar 3500 Zuschauern als Vorband von Jennifer Rostock.
Und so leben sie ihren neuen Alltag, mit einer Hektik geprägt von den Gedanken, ob alles auf der Bühne funktioniert und ob an alles für den abendlichen Auftritt gedacht wurde. In diesem gedanklichen Hamsterrad sei keine Zeit für Reflexion zur Gesamtsituation oder Nervosität, sagt Leismann. Schwer vorstellbar für einen Besucher, der mit dem Zugang hinter der Bühne eine Nähe zu den Musikern erlebt, von der Fans träumen.
Für Sänger Berres ist der Druck als Sprachrohr der Band größer. Ihm bereitete die Zeit vor der Tour wochenlang schlaflose Nächte, obwohl ihm die Band organisatorisch den Rücken frei hält. Doch diese Nervosität schafft es nicht bis auf die Bühne. Sicher im Umgang mit dem Publikum bringen sie ihre Musik an die Besucher, die ja überwiegend auf jemand anderes warten. Aber der genaue Blick durch die ersten Reihen zeigt doch eine Anhängerschaft. Das Marketing mit T-Shirts zur EP und zum aktuellen Titel „Die sicher schlimmste Wahl“ mit Jennifer Weist gehört schon zum Geschäft und fruchtet.
Auf die Frage, warum Aufbau West in Geseke dann nicht in aller Munde sei, erwidert Leismann, dass die Nachrichten mit national steigender Aufmerksamkeit schon wieder nach Geseke zurück finden werden. Die Internetgemeinde rund um die Band wächst und transportiert ihren Namen weiter. „Aufbau West“ stelle im Übrigen kein Statement dar – ein politisches schon gar nicht, sondern wurde gewählt, um aufzufallen. Das Motto lautete: „Wie muss man heißen, damit die Leute fragen: Warum heißt ihr so?“
„Wir haben uns hingesetzt und uns gefragt, was finden wir sch…?“
Mit ihrer direkten, klaren und selbstbewussten Art legten sie ihre musikalische Ausrichtung überraschend strategisch fest. Auch hier führte ein Ausschlussverfahren zum Stil, Indie-Gitarrenrock mit Hip Hop ohne Rap zu kombinieren. Und so nehmen sie es dankbar an, dass das Internet zwar Konkurrenz sei, aber eine Chance biete, diese innovativen Ideen publik zu machen, mit dem Ergebnis, dass sie in Hamburg angesprochen wurden: „…aus Geseke seid ihr? Da kommt doch auch Aufbau West her.“
Stand 02.02.2013